La Palma: Neue Wege durch das Tajogaite-Lavafeld
Von: Manfred Betzwieser
Wie neue Routen Inselteile verbinden und Alltag
zurückbringen -
Neue Wege durch schwarzes Gestein: Rund um den Tajogaite
wächst auf La Palma ein völlig neues Straßennetz, das weit mehr ist als Asphalt
auf Lava. Es ist der Versuch, eine durch den Vulkanausbruch 2021 zerrissene
Insel wieder zu verbinden – geografisch, wirtschaftlich und emotional.
Ein Straßennetz auf erkalteter Lava
Als der Tajogaite im Herbst 2021 ausbrach, zerstörte er über 70
Kilometer Straßen und schnitt den Südwesten La Palmas regelmäßig
auseinander. Vor allem die Küstenzone zwischen La Laguna, Todoque, Las Norias
und Las Manchas war plötzlich nur noch über lange Umwege erreichbar. Jetzt
führen neue Verkehrsadern durch das erstarrte Lavafeld: Verbindungsstraßen von
La Laguna nach Las Norias und Las Manchas, Zufahrten zu bisher isolierten
Grundstücken und eine neue Küstenstraße über die jungen Fajanas am Meer. Die
Fahrzeiten bleiben länger als vor dem Ausbruch, aber Nord und Süd sind wieder
direkt miteinander verbunden.
Ingenieurkunst am Limit
Straßenbau auf frischer Lava ist nichts für Feiglinge. Unter
der schwarzen Decke glüht die Erde mancherorts weiter – in wenigen Metern Tiefe
werden Jahre nach dem Ausbruch noch hohe Temperaturen gemessen. Deshalb wurden
spezielle Bauweisen entwickelt:
mehrschichtige Tragschichten mit isolierender Funktion,- Dehnfugen,
die Bewegungen des Untergrunds ausgleichen,
- Verstärkte
Entwässerung, damit Regenwasser nicht in Hohlräumen verschwindet.
Eine der neuen Routen gilt als Pionierprojekt im internationalen Straßenbau, weil sie erstmals eine durchgehende isolierende Zwischenschicht einsetzt, die große Hitze aushält. Jeder Kilometer, der hier entsteht, ist ein Experiment – und gleichzeitig Alltagssicherung für die Menschen vor Ort.
Neue Wege für alte Dörfer
Die neuen Straßen sind auch ein Versprechen an die
Betroffenen. Entlang der Trassen entstehen Zufahrten zu Parzellen, die seit
2021 wie Inseln im Lavafeld liegen. Hier sollen Häuser neu gebaut,
Bananenplantagen wieder bewässert, kleine Betriebe reaktiviert werden. Auch der
Platz, an dem die Kirche von Todoque wiederaufgebaut werden soll, ist über eine
neue Zufahrt erreichbar: ein starkes Symbol dafür, dass das ausgelöschte Dorf
nicht einfach aus der Landkarte verschwindet, sondern eine neue Mitte bekommt.
Zwischen Aufbruch und Zumutung
Für viele Palmeros haben die neuen Straßen zwei Gesichter.
Einerseits ermöglichen sie endlich wieder direkte Wege zur Arbeit, zu Schulen,
Arztpraxen und Feldern. Andererseits erinnern sie sich bei jeder Fahrt an das,
was verloren ging: Häuser, Gärten, Erinnerungsorte. Dazu kommt, dass manche
Routen länger und kurviger sind als früher – der Alltag bleibt anstrengender,
der Wiederaufbau langsamer als erhofft. Inflation, hohe Baupreise und begrenzte
Kapazitäten bremsen Projekte, die auf dem Papier längst beschlossen sind.
Chancen für Tourismus und Naturerlebnis
Gleichzeitig öffnen die Straßen ein neues Kapitel für den
Vulkan-Tourismus. Besucher können heute in sicherer Distanz an den Rand des
Tajogaite fahren, Aussichtspunkte ansteuern und auf geführten Routen die jungen
Lavaflächen erleben. Aussichtspunkte entlang der Küstenstraße bieten Blicke auf
die Fajanas, die der Atlantik dem Lavafluss abgerungen hat. Damit wird das
Lavafeld nicht nur zur Wunde, sondern auch zu einer neuen Landschaft, die
erklärt, wie lebendig diese Insel ist.
Asphalt als Lebensader
Die neuen Wege durch das Tajogaite-Lavafeld sind weit mehr
als Infrastruktur. Sie sind Lebensadern, die zerrissene Nachbarschaften
verbinden, wirtschaftliche Perspektiven zurückbringen und zeigen, dass La Palma
trotz aller Verluste in Bewegung bleibt. Jeder Meter Asphalt auf schwarzer Lava
erzählt von dem Versuch, mit der Natur zu leben, ohne zu vergessen, wie mächtig
sie ist.
Quelle: https://lapalma1.net/


